Ich bin Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und blogge hier über Gegenwartsliteratur. Themen, die mich besonders interessieren, sind nomadische Schreibweisen, Mehrsprachigkeit und marginalisierte Perspektiven in der world literature. Das Blog ist das Ergebnis aktueller Lektüren, manchmal in Form von Rezensionen, manchmal in Form von essayistischen Texten. Im Vordergrund stehen die Lektüreerfahrung und die Sichtbarmachung der Bücher, es geht aber auch um Verbindungen und Verknüpfungen zwischen den Texten untereinander.
Michel de Certeau schreibt in die Kunst des Handelns (Berlin 1988) über die Arbeitsteilung zwischen den Schreibenden und Lesenden in der damaligen Gegenwart: „Schreiben bedeutet, den Text zu produzieren; lesen bedeutet, den Text des Anderen zu rezipieren, ohne ihm eigenen Stempel aufzudrücken“. Er stellt diese Arbeitsteilung nicht in Frage, wohl aber die Annahme, dass Lesen etwas Passives sei; denn die Lesenden ließen den Texten schließlich ihre Bedeutung zukommen. Der_die Leser_in „erfindet in den Texten etwas anderes als das, was ihre ‚Intention‘ war. Er löst sie von ihrem (verlorenen oder zufälligen) Ursprung. Er kombiniert ihre Fragmente und schafft in dem Raum, der durch ihr Vermögen, eine unendliche Vielzahl von Bedeutungen zu ermöglichen, gebildet wird, Un-Gewußtes.“ (S. 300). Ein paar Seiten weiter heißt es dann: „Der Leser ist ein Produzent von Gärten, in denen eine Welt zusammengetragen und verkleinert wird; er ist der Robinson einer zu entdeckenden Insel; aber er ist auch auf sein eigenes Karnevalstreiben abgefahren, das das Vielgestaltige und die Differenz in das Schriftsystem einer Gesellschaft und eines Textes einführt. Er ist somit ein schwärmerischer Autor. Er hat keinen festen Boden unter den Füßen und schwankt an einem Nicht-Ort zwischen dem, was er erfindet, und dem, was ihn verändert.“ (S. 306)
Bio in Books

Diana Hitzke: Nach der Einsprachigkeit. Slavisch-deutsche Texte transkulturell. Berlin u.a. 2019.
Postkoloniale Konstellationen lassen sich nicht (mehr) in das Eigene und das Andere, in das Originäre und das Nachgeahmte, in ein Hier und Dort auseinanderdividierenden. Sie sind geprägt von Verflechtungen, Hybridisierungen und wechselseitigen Aneignungsprozessen. In diesem Band analysiert die Autorin Texte von Jurij Brězan, Irena Brežná, Mascha Dabić, Róža Domašcyna, Olga Grjasnowa, Barbi Marković, Olga Martynova und Aleksandar Tišma. Sie zeigt auf, dass alle Werke sich mit multiplen Zugehörigkeiten, Mehrsprachigkeit und Übersetzung auseinandersetzen. Die Texte dekonstruieren Grenzen sprachlicher und kultureller Zugehörigkeit, thematisieren aber auch Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus. Damit beschreiben sie mehrsprachige Welten jenseits von hegemonialer Einsprachigkeit.

Diana Hitzke (Hg.): Dominanz und Innovation. Epistemologische und künstlerische Konzepte kleiner europäischer und nicht-westlicher Kulturen. Bielefeld 2021.
Kulturspezifische Narrative und Strukturen sowie globale Machtverhältnisse beeinflussen die Entstehung epistemologischer und künstlerischer Konzepte. Der interdisziplinäre Band beleuchtet deren Entstehung, Aneignung und Übertragung aus der Perspektive kleiner und nicht-westlicher Kulturen. Der Fokus der Beiträge liegt auf den resultierenden strukturellen Ungleichheiten, Asymmetrien und Widersprüchen sowie den Reflexionsprozessen darüber: Einerseits werden durch die Aneignung dominanter Konzepte kanonische Texte und Diskurse reproduziert, andererseits interaktive Vermittlungsprozesse und innovative Weiterentwicklungen initiiert.
Link zum Buch: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5737-1

Taktungen und Rhythmen. Raumzeitliche Perspektiven interdisziplinär. Hrsg. von Sabine Schmolinsky, Diana Hitzke und Heiner Stahl. Berlin 2019.
Welches Potential besitzt der Begriff Rhythmus, um die Verzahnung von Raum und Zeit konzeptionell zu erfassen? Dieser Frage nähern sich die interdisziplinären Beiträge über Saisonalität und Rhythmus, überVerkehr, Transport und Logistik, über Rhythmus und Zeit sowie Musik und Raum. Theoretischer Ausgangspunkt ist das Konzept der Rhythmusanalyse des französischen Soziologen Henri Lefebvre.
Link zum Buch, DOI: https://doi.org/10.1515/9783110466591

Slavische Literaturen der Gegenwart als Weltliteratur. Hybride Konstellationen. Hrsg. von Diana Hitzke und Miriam Finkelstein. Innsbruck 2018.
Weltliteratur und Übersetzung, die Welt und das literarische Feld sowie Migration, translinguales Schreiben und Hybridität sind die Themen der vorliegenden Beiträge zu slavischen Literaturen der Gegenwart. Der Band vereint Analysen von Texten, die in slavischen, aber auch in nicht-slavischen Sprachen oder aber in mehreren Sprachen zugleich verfasst worden sind. Damit werden Werke, die auf Russisch, Bosnisch-Kroatisch-Serbisch, Polnisch, Tschechisch, Deutsch, Tatarisch, Englisch und Französisch entstanden sind, miteinander in Verbindung gebracht. Die Texte beziehen sich auf globale literarische Traditionen, Ereignisse und Lebensformen. Sie reagieren jedoch auch auf unterschiedliche lokale kulturelle und historische Entwicklungen und gesellschaftliche Strukturen. Der Band bietet einerseits einen Zugang zu Konzepten der Weltliteratur und bereichert die aktuelle Debatte um Fallbeispiele aus dem osteuropäischen und slavischen Kontext. Andererseits erweitert er die slavistische Diskussion durch die Auseinandersetzung mit Theorien und Methoden der Weltliteratur und den Möglichkeiten ihrer Anwendung auf slavische Texte.
Link zum Volltext, PURL: https://resolver.obvsg.at/urn:nbn:at:at-ubi:3-3793

Diana Hitzke: Nomadisches Schreiben nach dem Zerfall Jugoslawiens. David Albahari, Bora Ćosić und Dubravka Ugrešić. Frankfurt a. M. u.a. 2014.
Nach dem Zerfall Jugoslawiens legen David Albahari, Bora Ćosić und Dubravka Ugrešić Texte vor, die sich als nomadisches Schreiben bezeichnen lassen. Sie handeln von der Migration der Protagonist_innen und stellen Bewegungen durch literarische Verfahren her. Kulturelle Transformationen und Destabilisierungsprozesse bilden nicht nur den Hintergrund der Texte, sie sind auch Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung. Das Nomadische – ein Gilles Deleuze und Félix Guattari entlehnter und für die literarische Analyse fruchtbar gemachter Begriff – wird in der Analyse der Texte sichtbar. Schwerpunkte liegen auf den intermedialen Bewegungen zwischen Tonband und Text bei Albahari, der Imagination einer Gemeinschaft der Staatenlosen bei Ćosić sowie einer Kartografie des Fragments bei Ugrešić.
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